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Grundlagen zu Latexbindemitteln: Polymerarchitektur

Geschrieben von Mallard Creek Polymers | 10.06.2020 21:16:02

Das Gedankenmodell von langen, linearen Polymerketten ist einfach, jedoch nur teilweise korrekt. Denn Polymere verfügen über einige komplexe Verzweigungen zwischen Monomeren und Polymerketten, die erstaunliche Architekturen hervorbringen. Diese Architekturen haben einen wichtigen Einfluss auf die Eigenschaften einer entwickelten Polymeremulsion.

Stellen Sie sich vor, dass Sie sich mit 19 Personen auf einer großen Wiese zusammenfinden. Sie greifen mit einem Finger der linken Hand die Gürtelschlaufe an der Hose der nächsten Person und diese Person tut es Ihnen gleich, bis alle miteinander als Kette verbunden sind. Eine weitere Gruppe mit 20 Personen gesellt sich hinzu. Diese verketten sich auch, indem jeder mit einem Finger der linken Hand die Gürtelschlaufe an der Hose der benachbarten Person greift. Stellen Sie sich jetzt vor, dass sich diese beiden Personenketten nebeneinander bewegen. Die beiden Ketten können sich unabhängig voneinander und in unterschiedlichen Richtungen vor und zurück bewegen.

Jetzt greifen alle Personen der einen Kette mit der rechten Hand nach den rechten Händen der Personen aus der anderen Kette. Die beiden Personenketten sind nun verbunden, was sich auf die Bewegungsmöglichkeiten auswirkt. Bewegungen zur Seite sind möglich, jedoch nur sehr eingeschränkt. Die Eigenschaften des Systems – die beiden interagierenden Ketten – haben sich geändert.

Dieses Beispiel soll eines der wichtigsten Konzepte in der Polymerchemie, die Polymerarchitektur, veranschaulichen. In diesem Artikel beschäftigen wir uns näher mit den unterschiedlichen Polymerarchitekturen und wie eine geänderte Grundstruktur der Emulsionspolymere deren Eigenschaften verändert.

Eine Übersicht über die Polymerisation

In dem oben beschriebenen Gedankenexperiment standen Sie und die anderen Personen für Monomere, die Bausteine für Polymerketten. Monomere sind Moleküle mit einer spezifischen chemischen Zusammensetzung. Zu den gängigen Monomeren gehören Ethen (C2H4), Styrol (C8H8) und Vinylchlorid (C2H3Cl). Jedes dieser Monomere verfügt für sich genommen über einzigartige Eigenschaften.

In ihrer Reinform haben Monomere nicht unbedingt einen Nutzen, sie sind jedoch wichtig als Bausteine für andere Materialien. Bei der Polymerisation werden diese Bausteine zu längeren Ketten verknüpft. Polystyrol beispielsweise wird aus Styrol-Molekülen gewonnen; es entsteht eine lange Kohlenstoff-Hauptkette (Carbon Backbone). Polystyrol gehört zu den gängigsten Polymeren der Welt und die Eigenschaften unterscheiden sich wesentlich von den Eigenschaften von Styrol. Das Monomer Styrol ist eine farblose, ölige Flüssigkeit, die leicht verdunstet und in geringen Konzentrationen süßlich riecht. Polystyrol ist ein harter, fester Kunststoff, der häufig für Lebensmittelverpackungen und Laborartikel verwendet wird.

Polystyrol entsteht nicht spontan. Die Polymerisation von Polystyrol, auch Kettenpolymerisation oder radikalische Kettenpolymerisation genannt, wird durch einen Initiator gestartet. Dieser zerfällt und bildet dabei Radikale. Diese Radikale sind sehr reaktionsfreudig. Sie suchen beim Styrol-Monomer nach einzelnen Elektronen, um eine Doppelbindung einzugehen, und heben dadurch die Bindung des verbleibenden Elektrons auf. So wird das „angegriffene“ Monomer zu einem Radikal, das mit einem benachbarten Styrol-Molekül reagieren kann. Dieser Vorgang (Kettenreaktion bzw. Kettenwachstum) wiederholt sich, bis eine lange Kette geformt ist.

Das Wachstum einer Polymerkette kann durch eine Abbruchreaktion beendet werden. Es gibt mehrere Möglichkeiten, eine Polymerisation abzubrechen. Beim Kettenabbruch durch Rekombination treffen zwei unabhängig wachsende Ketten an den chemisch aktiven Enden aufeinander. Diese verbinden sich und das Kettenwachstum wird beendet, da keine freien Elektronen für Monomere mehr zu Verfügung stehen.

Chemiker können das endgültige Polymer und dessen Eigenschaften auf unterschiedliche Art und Weise kontrollieren. Folgendes kann manipuliert werden:

  1. Der Baustein, das Monomer
  2. Die Art und Weise, wie sich Monomere verbinden
  3. Die Länge der Polymerkette
  4. Die Art und Weise, wie zwei Polymerketten interagieren

Die Polymerarchitektur wird zum Großteil von Punkt 2 und Punkt 4 bestimmt, womit wir uns im nächsten Abschnitt beschäftigen.

Polymerstrukturen

Bisher wurden vier Polymerarchitekturen identifiziert. Die Einteilung basiert darauf, wie die Polymerisation verläuft und wie Polymerketten miteinander interagieren. Im Folgenden sind die Polymerarchitekturen mit ihren Eigenschaften aufgeführt:

  • Linear – Wenn sich die Monomere über Kohlenstoffatome verbinden, bildet sich während der Polymerisation eine lineare Polymerkette. Jede Kette ähnelt einer gekochten Spaghetti. Zwei lineare Polymerketten „rutschen“ aneinander vorbei und gehen keine Bindung ein, da nur sehr schwache Wechselwirkungen – Van-der-Waals-Kräfte oder hydrogene Bindungen – auftreten.
  • Verzweigt – Die Polymerkette bildet an einigen Stellen Verzweigungen, die von der Kohlenstoff-Hauptkette (Carbon Backbone) wegführen. Diese Struktur wird verzweigte Polymerkette genannt. Die Verzweigungen verhindern, dass sich die Polymerketten dicht aneinanderdrängen. Dabei verbinden die Verzweigungen die Polymerketten nicht miteinander.
  • Vernetzung – Wenn sich die Verzweigungen einer Polymerkette vollständig mit einer benachbarten Kette verbinden, entsteht ein vernetztes Polymer. Durch die Bindungen entsteht eine leiterförmige Struktur. Diese kovalenten Bindungen zeichnen sich durch hohe Festigkeit aus. Solche vernetzten Polymere sind temperaturbeständig und schmelzen auch bei hohen Temperaturen nicht.
  • Polymernetzwerk – Polymerketten mit hoher Vernetzung bilden ein komplexes Netzwerk an Bindungen aus. Dieses Polymernetzwerk mit zahlreichen kovalenten Bindungen zeichnet sich durch extrem hohe Festigkeit und aus und ist fast komplett schmelzbeständig.

Quantifizieren der Vernetzung: Gelanteil

Sehen wir uns nun eine der Polymerstrukturen etwas genauer an. Die Dichte der Vernetzungen in einem Polymer gibt Auskunft über dessen Eigenschaften. Bei einer hohen Dichte ist das Polymer fest, da das Polymernetzwerk eine Ausdehnung verhindert. Denken Sie an das Experiment aus der Einleitung. Bei einer niedrigen Dichte der Vernetzungen lässt sich das Polymer besser dehnen.

Der Gelanteil oder die Gelfraktion ist eine messbare Quantifizierung der Vernetzungen zwischen Polymeren. Chemiker berechnen den Gelanteil, indem sie das Polymer trocknen und wiegen. Danach wird das Polymer mit einem Lösungsmittel wie Aceton, Toluol oder einer anderen ähnlichen Flüssigkeit gewaschen. In dieser Flüssigkeit lösen sich leicht verzweigte Polymere auf, andere hingegen schwellen an und bilden sich zu einem Gel aus. Dabei verhält sich der Anteil direkt proportional zu den vorhandenen Vernetzungen. Der Chemiker kann die Lösung filtern, das Gel isolieren und es anschließend trocknen und wiegen. Um den Gelanteil oder die Gelfraktion zu erhalten, wird das Gewicht durch das ursprüngliche Gewicht geteilt (siehe nachstehende Gleichung), wobei W2 das Gewicht der getrockneten Gelrückstände und W1 das Gewicht der ursprünglichen Probe ist:

[W2/W1] x 100 % = Gelfraktion (oder vernetztes Material)

Im Journal of Polymer Science findet sich ein einfaches Beispiel, was die Gelfraktion über ein einfaches Polymer wie Poly(butylacrylat) verrät. Die in dieser Tabelle beschriebenen Eigenschaften bezüglich Haftung, Scherung und Schälkraft gehören zu den wichtigen Klebeeigenschaften für Etiketten, Klebebänder oder ähnliche Produkte:

Gelfraktion (%) Mw Haftung (cm) Scherung (s) Schälkraft (N/100 mm)
1 340.000 0 ± 0 45 ± 12 11 ± 1,1
32 430.000 0 ± 0 1820 ± 210 23,4 ± 3,6
55 523.000 0,5 ± 0,2 40 ± 10 16,9 ± 1,6

Aus Journal of Polymer Science: Part A: Polymer Chemistry, Vol. 42, 10251041 (2004).

Mit steigendem Molekulargewicht (Mw) erhöht sich auch die Gelfraktion des Polymers. Gleichzeitig verändern sich die Klebeeigenschaften des Polymers dramatisch. Wenden Sie sich an uns, wenn Sie mit uns über die Entwicklung eines Klebstoffs für Ihre Anforderungen sprechen möchten.

Polymerarchitekten

Wir verstehen uns bei Mallard Creek nicht nur als Chemiker, sondern auch als Polymerarchitekten. Wir analysieren gemeinsam mit Ihrem Team die speziellen Anforderungen Ihrer Anwendung und legen dann ein chemisches Programm mit wichtigen Attributen wie die Architektur fest, damit das endgültige Emulsionspolymer diesen Anforderungen entspricht. 

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